Im Gespräch mit PD Dr. Morlok und Dr. Müller
Demnächst erscheint der Auftaktband zur neuen Ergon Reihe Perspektiven Jüdischer Studien! Die Reihe wird von PD Dr. Elke Morlok, Dr. Judith Müller, Asst.-Prof. Verena Kasper-Marienberg und Prof. Dr. Dani Kranz herausgegeben. Sie stellt die Vielfalt der Themen und Methoden der Jüdischen Studien heraus und initiiert zugleich ein intensives Nachdenken über die Zukunft der Disziplin. PD Dr. Elke Morlok und Dr. Judith Müller, zwei der Herausgeberinnen, kommen mit unserem Verlag ins Gespräch, geben Einblicke in die Reihe und den Auftaktband und verraten auch ihre persönliche Begeisterung für die Reihe.
Die neue Reihe „Perspektiven Jüdischer Studien“ startet mit dem Band „Deutsch-Israelischer Wissenstransfer und Begegnungsgeschichte“. Was ist der zentrale Anspruch der Reihe – und welche Impulse möchten Sie damit für die Jüdischen Studien setzen?
Dr. Morlok: „Wir haben die Reihe ins Leben gerufen, zum einen um die „innerjüdischen“ Perspektiven besser zu verknüpfen, d.h. dass bestimmte Themen durch sämtliche Fächer wie Bibel, Philosophie, Rabbinische Literaturen, Geschichte hindurch diskutiert werden, zum anderen aber auch, um die vielfältigen Anschlussfähigkeiten des Faches Jüdische Studien oder Judaistik für andere Disziplinen aufzuzeigen. Jüdische Philosophie oder Mystik sind z.B. nie in einem Vakuum verhandelt worden, sondern immer im Austausch mit der Umgebungskultur gewachsen. Genau diese beiden Aspekte soll der Begriff „Perspektiven“ beleuchten: von innen und von außen – durch unterschiedliche Brillen und Farben.“
Dr. Müller: „Zu den unterschiedlichen Perspektiven gehören auch die weniger religiös geprägten. Gerade bei öffentlichen Vorträgen, in der Lehre oder auch in Diskussionen um das Fach spüre ich persönlich nach wie vor einen starken Fokus auf religiöse Fragen oder auch kein Bewusststein dafür, dass es jenseits vom Judentum als Religion viel Spannendes zu entdecken gibt. Gerade in Diskussionen um jüdische Geschichte, Kultur und Identität der Moderne wird man vielen Menschen nicht gerecht, wenn man all die Phänomene allein in einem religiösen Kontext betrachtet.“
Warum fiel Ihre Wahl auf diese Publikation als Auftaktband? Inwiefern spiegelt sie Themen, Perspektiven oder Leitgedanken wider, die für die Reihe prägend sind?
Dr. Müller: „Der Auftaktband zu unserer Reihe setzt sich mit deutsch-israelischem Wissenstransfer auseinander und ist gleichzeitig eine Erinnerung an die deutschsprachige Sommeruniversität an der Ben-Gurion Universität des Negev in Beer Sheva. Der Fokus klingt erst einmal sehr spezifisch, doch blättern Leser:innen im Band, können sie schnell feststellen, dass die Diversität der Jüdischen Studien zum Ausdruck kommt. Insbesondere die Erfahrungsberichte ehemaliger Teilnehmer:innen veranschaulichen außerdem die Bedeutung von internationalem und interdisziplinärem Austausch.“
Dr. Morlok: „Gerade seit dem 7. Oktober befinden sich israelische Forscher:innen zunehmend in einer Art akademischer Isolation. Kooperationen werden aufgekündigt, geplante Projekte gestoppt und Events abgesagt. Der Band zeigt, wie nach den Gräueln der Schoah die internationale Zusammenarbeit aufgebaut und intensiviert wurde. Wir wollen hier einen „neutralen“ Raum schaffen, um verschiedenen Zugängen zu diesem Wiederaufbau Gehör zu verschaffen und zugleich die kreativen Neuanfänge durch solche und ähnliche Projekte aufzuzeigen.“
Und zum Schluss: Was begeistert Sie persönlich besonders an der Reihe?
Dr. Morlok: „Neben der Vielzahl von Anschlussmöglichkeiten und Kooperationsprojekten mit und in den Jüdischen Studien, nicht nur akademisch, sondern auch in einer breiteren, eventuell musealen oder gemeindlichen Öffentlichkeit, wollen wir vor allem Frauen ein Forum für ihre Forschung bieten. Vernetzung und Kommunikation sind essentiell wichtig, um im akademischen Bereich Fuß zu fassen – dabei wollen wir helfen – und zugleich den Facettenreichtum des Fachs und die faszinierenden Forschungsthemen vorstellen.“
Dr. Müller: „Durch die eingangs bereits erwähnte Vielfalt der Perspektiven sehen wir darüber hinaus eine Möglichkeit Impulse zu setzen und „kleine Fächer“ zusammenzubringen, zum Beispiel Jüdische Studien und Gender Studies oder Jüdische Studien und Digital Humanities, die auch beide epochenübergreifend arbeiten und so spannende Zugänge bieten.“
Die Reihe Perspektiven Jüdischer Studien vereint fachinterne und jüdische Perspektiven mit interdisziplinären Ansätzen aus Kultur-, Geschichts-, Literatur- und Sozialwissenschaften, um aktuelle wissenschaftliche und gesellschaftliche Fragen neu zu verorten und diesen adäquat zu begegnen.